Unter der Stadt

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Es ist eine Hass-Liebe. Die New Yorker U-Bahn, auch Metro oder MTA genannt, hat ihre eigenen Regeln. Manches ist gewöhnungbedürftig, manches SEHR gewöhnungsbedürftig, manches einfach cool.

Es gibt nirgends Uhren, was mich als Armbanduhr-Muffel erstmal irritiert hat. Mittlereile benutze ich mein Handy und alles ist gut. Es gibt kaum Rolltreppen. Das hat mich die ersten Tage ziemlich verstört, mittlerweile renne ich genauso wie alle anderen die Treppen hoch und atme oben angekommen nur noch ein kleines bisschen schwerer als normal. Wer nicht fit ist, ist hier eh verloren, denn die Wege sind weit, die Treppen allerdings nicht halb so steil wie in München (man stelle sich mal den Marienplatz ohne Rolltreppe vor).

Überall steht das Wasser in Pfützen zwischen den Gleisen – vereinzelt tropft auch was von oben – was es bei Hitze ziemlich dampfig werden lässt. Hie und da rennt auch mal eine Ratte rum.
Überhaupt ist das mit der Sauberkeit so eine Sache. Pingelig darf man wirklich nicht sein.
Als ich vor ein paar Wochen morgens um 2 mal wieder in Harlem stand (erm), konnte ich eine Reinigungscrew bei der Arbeit beobachten. Ha… ja… die Amis halt, gell…

Besonders gewöhnungsbedürftig sind aber die Züge selbst. Ist es am Gleis noch knackeheiß, braucht man im klimatisierten Zug dann schon eher eine Jacke.
Gerne bleiben die Züge auch einfach mal 10 Minuten in einem Tunnel stehen, ohne Ansage und wenn man Pech hat geht dann auch noch das Licht aus. Die New Yorker nehmen es gelassen, ich habe beim ersten mal schon leicht Panik geschoben.

Die Menschen lesen entweder oder haben einen iPod im Ohr. Man sieht sich gegenseitig nicht an, das scheint eher unhöflich zu sein. Ich kann es mir natürlich meistens nicht verkneifen. Es gibt aber auch so viel zu sehen…
Die junge mexikanische Frau, die gegen 11 Uhr abends sichtlich müde immer wieder zur Seite und auf die Schulter ihrer älteren und sehr nach Upper West Side aussehenden Sitznachbarin kippt. Die schaut beim ersten Körperkontakt noch etwas erstaunt, liest dann aber ungestört weiter. Oder die Gangster-Rapper-Jungs mit den in den Kniekehlen hängenden Hosen und diesen komischen Haarnetzen auf dem Kopf, die so grimmig schauen, dass man es ihnen fast schon glauben könnte… bis sie dann für eine junge Mutter mit Kinderwagen den Sitz räumen. Oder die schicken Babes, die Studs, die noch die Trainingshosen vom Gym anhaben, die Hipster im L-Train, die Punks, die Mädchen in Schuluniform…

Überhaupt sehen die Leute meist unfreundlicher aus, als sie in Wirklichkeit sind.
Wenn man mal ein bisschen länger auf den U-Bahn-Linienplan starrt, wird man gleich gefragt, ob man Hilfe braucht.
Ich habe das kürzlich selber mal ausprobiert. Die Starrenden haben sich als Schweizer entpuppt, die dann auch ziemlich froh war, dass ich ihnen sagen konnte, wo der Union Square ist. Da fühlt man sich doch gleich wie ein richtiger New Yorker.

Auf keinen Fall darf man bei der Beschreibung der New Yorker U-Bahn die Künstler vergessen. Wer als Musiker in den Metrostationen spielen möchte, muss am jährlich stattfindenden Auswahlverfahren Music Under New York teilnehmen. Dort werden dann ca. 20 Personen ausgewählt, die eine unlimitierte Erlaubnis erhalten. Und ich muss schon sagen, die Qualität der Musiker, besonders am Times Square und den anderen Knotenpunkten ist schon erstaunlich hoch. Da kann man dann schon mal zu spät zu einer Verabredung kommen, weil man sich von der tollen Gospel-Gruppe oder dem Plastikeimer-Trommler nicht losreißen konnte.

Neben der Musik gibt es aber auch noch eine Menge anderer Kunst zu sehen. Da müsste man sich fast mal einen Tag Zeit nehmen…

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