Auf den Spuren von Jerry Cotton

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OK, morgen in einer Woche geht der Flug. Ich kann es mir momentan noch gar nicht vorstellen, nicht mehr in New York zu sein.
Um so mehr Grund, noch so viel wie möglich mitzunehmen.
Die letzten Tage hier sind eine Mischung aus alt und neu. Ich besuche Orte, an denen ich schon war, um sie Maurice zu zeigen, sehe mir aber auch Dinge an, die ich ‚aufgehoben‘ habe, um sie mit ihm gemeinsam anzusehen.

So waren wir in den letzten Tagen im Guggenheim und auf der Upper East Side, am Times Square und dem Columbus Circle. Heute sind wir durch Chelsea und das East Village gezogen, waren am Ground Zero und in der Wall Street.
Danach habe ich Maurice nach Chinatown und in mein momentanes Lieblingsrestaurant (Peking Duck House) gezerrt.

Und dann kam der Höhepunkt des Abends…

Mitten in Chinatown befindet sich das Schnellgericht, in dem kleinere und größere Verbrechen schnell und mit wenig(er) Bürokratie verhandelt werden. Von halb 6 abends bis 1 Uhr Morgens. Jeden Tag.
Von außen ist das Gerichtsgebäude kaum zu erkennen. Wären da nicht die Hinweisschilder für Juroren, den Nordeingang zu nehmen, würde man wahrscheinlich blind am Eingang in der Center Street vorbeilaufen.
In der Eingangshalle geht es erstmal durch die Taschenkontrolle und den Metalldetektor. Überall grimmig dreinschauende Cops. Wie so oft wird die Laune der Leute schnell besser, sobald sie merken, dass man deutscher Tourist ist. Unser Metalldetektormann erzählt uns gleich von seiner Reise nach Deutschland, seinem Besuch auf dem Oktoberfest und seinen vielen deutschen Freunden. Aber auch von der Verhaftungsrate in Manhattan (140.000 im Jahr) und der Notwendigkeit schnell vorzugehen, daFestgenommene, die nicht innerhalb von 24 Stunden dem Richter vorgeführt werden, wieder freigelassen werden müssen . Dann werden wir mit einem Zwinkern und ‚have fun‘ zu Saal 130 geschickt, wo heute die Felonies – also schwereren Verbrechen – verhandelt wurden.

Beim Betreten des Saales springtuns erstmal das große ‚In God We Trust‘ Schild an, das von zwei Flaggen gesäumt über dem erhöht stehenden Richtertisch prangt. Überhaupt sieht das Setting wie das einer klassischen Gerichtsserie aus. Richter, Gerichtsschreiberin, Assistent des Richters (in Uniform), Tisch der Staatsanwaltschaft, Anklagebank, Bereich in dem sich die Strafverteidiger rumtreiben (und lautstark quatschen) und der Besucherraum. Außerdem im Raum verteilte Cops, mal der eine oder andere Cop in Zivil und Sozialarbeiter.
Teilweise sitzen auch im Besucherraum Angeklagte, die dann nach Nummer aufgerufen werden. Die schwereren Jungs werden von einem Raum hinter dem Richtertisch hereingeführt. Allem Anschein nach waren wir die einzigen wirklich unbeteiligten Zuschauer. Außer uns sitzen im Zuschauerbereich nur noch junge Frauen, die darauf warteten, ihre Freunde entweder freudestrahlend in Empfang zu nehmen, weil diese freigesprochen, oder nur zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert wurden, oder eben mit betretenen Gesichtern und ohne Mann abzuziehen.

Es war spannend. Wir haben zwar nicht alles verstanden, aber der grobe Ablauf und die unterschwellige Dynamik im Gerichtssaal war schnell klar.
Was alles verhandelt wurde? Drogen (dumm, wenn man einem Undercover-Cop Heroin verkauft), Betrug, Körperverletzung, Taschendiebstahl und Kreditkartenbetrug. Die Strafen reichten von Freispruch (sehr nett, wenn der Staatsanwalt vom Richter wegen unzureichender Beweise gerügt wird), über gemeinnützige Arbeit bis zu Geldstrafen. In vielen Fällen wurde aber auch erstmal nur ermittelt, ob und wie viel Kaution gezahlt werden muss, um den Angeklagten bis zur Verhandlung vor einer Jury auf freien Fuß zu setzen.

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